Zurück zur Übersicht
Beim Schreiben dieses Artikels wurde mir noch mal sehr deutlich, dass ein Honorarmodell nicht nur die finanzielle Vereinbarung beschreibt, sondern vor allem den Rahmen für die Beziehung zwischen mir und meinem Kunden definiert. Die allmähliche Veränderung dieser vertraglich fixierten Beziehungen ist auch Ausdruck meiner eigenen Entwicklung als Mensch und Beraterin und all dessen, was ich in die Welt bringen möchte. In diesem Artikel werde ich einige Modelle skizzieren und dabei den einen oder anderen Impuls geben, wie Beratung anders gedacht und ausgedrückt werden kann.
Am Anfang meiner Beratungstätigkeit war es einfach und klar: Es gab einen Tagessatz. Zeit war das Produkt und Geld die Währung. Vieles, was ich als „Beratung“ verkaufte, war streng genommen eine Dienstleistung, die tatsächlich am besten in Zeiteinheiten gemessen werden konnte und dadurch auch vergleichbar wurde: Workshop-Moderationen, Teamtage, Trainings, Ausbildungstage, Leadership Development, Seminare, Großgruppen. Ich wurde für einen bestimmten Zweck gebucht. Punkt.
Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich zur Tagelöhnerin geworden war. Zwar mit hohem Tagessatz, aber ich verkaufte eigentlich nur noch meine Zeit. Das einzige Ziel: möglichst viele Tage an den Mann und die Frau bringen. Das Kalender-Tetris regierte: Themen, Kunden, Workshops, alles musste in meinen Kalender passen, mit möglichst wenigen Lücken. Das hatte auch viel Gutes, denn ich bekam die Möglichkeit, mich in vielen unterschiedlichen Situationen auszuprobieren und zu erfahren, jeden Tag etwas Neues zu lernen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, was nicht nur zeitlich, sondern auch emotional und energetisch drin ist, sprich meine Schmerzgrenze auszuloten. Nachdem ich mir bewiesen hatte, was ich alles schaffen, wie viel Geld ich verdienen und wie viele Projekte gleichzeitig ich managen kann – fast stolz darauf, dass ich manchmal nicht mehr wusste, in welcher Stadt ich aufwachte und trotz Rücken- und Kopfschmerzen erfolgreiche Arbeit abliefern konnte –, kam der Moment, an dem ich das Ganze sehr unbefriedigend fand. Ich war erschöpft statt erfüllt.
Ich fragte mich: Ist das, was wir mein Kollege Christian Mayhofer und ich was ich tue, wirklich immer das Beste für die Kunden? Und tut es mir selber gut? Gestresste Kunden treffen auf erschöpfte Beraterin: Kann das sinnvoll sein? Wie schafften es manche Kollegen, trotz vieler Arbeit emotional mit sich im Reinen zu sein?
Dennoch ist dieses Modell nach wie vor sehr valide und üblich, nicht nur für Trainings und Workshops, sondern auch in der Beratung, was in manchen Situation sein kann, z.B. wenn punktuell Unterstützung und Impulse benötigt werden. Für längere und komplexere Prozesse finde ich die Abrechnung nach Zeit aber auch zunehmend problematisch. Denn die Qualität von Beratung und deren Effekt haben wenig mit dem zeitlichen Aufwand zu tun. Wie oft ist ein kurzes Telefonat zum richtigen Zeitpunkt viel wichtiger und wirkungsvoller als ein ganzer Workshoptag ...
Anders als Trainings haben Beratungsprozesse die Eigenschaft, dass sie volatil, oft auch unberechenbar sind und daher viel Flexibilität brauchen. Die Annahme eines Mandates bringt auch Verantwortung mit sich: Man beginnt, in einem fremden System zu intervenieren, von dem unklar ist, wie es reagiert. Man muss spontan sein können, sprich einen Kalender mit Lücken haben. Hier beißt sich die Trainer- mit der Beraterlogik. Während Trainings bisweilen schon Jahre im Voraus fixiert werden und unverrückbar wie Hinkelsteine im Kalender stehen, natürlich oft genau an den unpassendsten Stellen, ist Beratung etwas Fließendes, Entstehendes – ein Moment entsteht aus dem anderen –, etwas, das auf das Hier und jetzt ausgerichtet ist. Problematisch wird es , wenn Kunden nur genau das zahlen wollen, was nachweislich geleistet wurde, und wir Berater auf den Flexibilitätskosten sitzen bleiben, jenen Tagen nämlich, die wir freigehalten haben, dann aber in Anspruch genommen wurden.
Hier hat sich folgendes Modell bewährt:
Tagessatzmodell reloaded: Die Vereinbarung erstreckt sich über einen definierten Zeitraum, zum Beispiel ein halbes oder ganzes Jahr, uns beruht nach wie vor auf konkreten Tagen und Tagessätzen. Dazu haben wir die Beratungsarchitektur (Mix aus Coachings, Vor-Ort Tagen, Strategiemeeting-Moderationen, Großgruppen etc.) mit Beratertagen hinterlegt, mit unserem Tagessatz multipliziert und durch die Anzahl der Monate dividiert. Dieser Betrag wurde dann monatlich verrechnet. Der Vorteil: eine transparente und verbindliche Vereinbarung auf Basis überprüfbarer Leistungen (geleistete Tage) und Outputs (geleistete
Events und Ergebnisse). Und war das Honorar erst einmal vereinbart, waren Budget, Geld, und Tagessatz kein Thema. Die Kunden und wir konnten uns voll auf die Arbeit und die Inhalte konzentrieren. Im Fokus stand nicht mehr der zeitliche Input, sondern der Effekt, also das gemeinsame Ergebnis.
Dieses Honorarmodell zeichnet sich durch Verbindlichkeit und Planbarkeit bei gleichzeitiger Flexibilität für beide Seiten aus. Allerdings beruht es noch immer auf der „Zeit gegen Geld“-Basis.
Im Laufe der Zeit fand ein grundlegender Wandel statt, denn meine Tätigkeit löste sich von der Ebene „Ich werde für einen bestimmten Zweck engagiert“ und wurde zu Begleitung und Beratung, die zwar an bestimmten Themen aufhängt ist, aber genaugenommen ein Schulterschluss in allen relevanten Bereichen ist: über Aspekte wie Führung und Strategie bis zu neuen Arbeitsformen, Einzel- und Teamcoachings.
Christian Mayhofer und ich nehmen unsere Kunden unter unsere Fittiche, sie werden Teil unseres Lebens. Wenn ich heute einen Artikel lese, denke ich: „Das könnte für diesen oder jenen Kunden spannend sein.“ Wenn ich etwas Neues erfahre, frage ich mich, inwiefern das zu diesem oder jenem Problem passen könnte. Wenn wir in San Francisco sind, dann denken wir unsere Kunden mit. Wir hören und sehen unsere Kunden regelmäßig, manchmal verbringen wir ein paar Tage mit ihnen, manchmal gibt es Workshops, manchmal werden wir nur kontaktiert, wenn es ein akutes Thema gibt. Aber wir sind so gut wie immer für unsere Kunden da. Wir sind zu einer Unterstützung geworden, die manchmal sichtbar und im Vordergrund, meist aber unsichtbar im Hintergrund agiert. Unsere Kunden wissen: Auf uns ist Verlass.
Haben wir Beratungs- und Changeprozesse früher sehr breitspurig aufgesetzt – mit vielen Beratern, Interviews, Workshops und Großgruppen –, was mit entsprechend viel Aufwand verbunden war, so arbeiten wir heute um einiges gezielter, feiner, präziser, zeitsparender und effektiver. Viel Erfahrung führt dazu, dass man punktgenau agiert, schneller im Thema ist und weniger Zeit für einen stärkeren Effekt benötigt.
Hier passt das „Zeit gegen Geld“-Modell einfach nicht mehr. Denn das würde ja bedeuten: Je effektiver wir arbeiten, desto weniger wert ist unsere Arbeit. Daher haben wir nach und nach folgende Modelle erprobt:
Pauschalen sind ein Modell, das konkrete Termine (Events) und die Betreuung dazwischen abdeckt. So hatten wir beispielsweise ein Kundenprojekt, das die zwischenmenschlichen Probleme der dreiköpfigen Geschäftsführung beinhaltete. Wir vereinbarten eine Monatspauschale für einen fixen Prozess, wonach wir uns einmal wöchentlich mit ihnen zusammensetzten, um an ihren Themen zu arbeiten, bei Bedarf längere Sessions einplanten und dem Kunden ermöglichten, kurzfristig auf uns zuzugreifen. Die Monatspauschale war also vorallem Geld für eine Art Bereitschaftsdienst. Das funktionierte sehr gut, denn wir konnten flexibler mit unserer Zeit umgehen. Der Kunde seinerseits nahm uns bei Bedarf in Anspruch, ohne ständig über die anfallenden Kosten nachdenken zu müssen. Es gilt: Je höher das Commitment und damit Sicherheit auf beiden Seiten, desto mehr Freiheit und Großzügigkeit sind möglich. Wir fanden diese Honorarvariante sehr passend: Value for money. Dabei liegt der „value“ für den Kunden darin, dass wir jederzeit für ihn da sind.
Noch ein Beispiel: Wir hatten einen Kunden. Der uns für Interviews und einen Teamworkshop buchte und bezahlte; unsere wichtigste Arbeit für den Kunden aber waren die Einzeltermine mit dem Geschäftsführer, in denen wir über ihn, seine Fragen, Überlegungen, Aufgaben, Herausforderungen und Rollen sprachen. Deshalb gingen wir dazu über, auch solche Sitzungen in die Pauschalen zu integrieren. Wer heute 15.000 Euro für einen zweitägigen Workshop zahlt, bekommt im Grunde einen ebenso kompakten wie wirkungsvollen Beratungsprozess.
Beraterverträge: Inzwischen sind wir von Event- oder monatlichen Pauschalen zu umfassenden Beraterverträgen übergegangen. Diese erstrecken sich über einen festzulegenden Zeitraum und definieren die inhaltlichen Ziele: Welche Herausforderungen gibt es? An welchen Themen wird mit wem gearbeitet? Was sind mögliche größere Events und Meilensteine? Welchen Effekt soll die Zusammenarbeit haben? Auf welche wesentlichen Prinzipien einigen wir uns? Welche Rollen gibt es? Welche Ebenen betrachten wir? Welche regelmäßigen Touchpoints für die künftige Ausrichtung existieren?
Beraterverträge schließen wir für ein halbes oder ein Jahr ab und rechnen quartalsweise ab. Dabei besteht die Möglichkeit, den Vertrag jederzeit einvernehmlich zu ändern, wenn die Situation es erfordert.
Unsere Kunden ebenso wie wir können jederzeit mit einer zweimonatigen Kündigungsfrist aus dem Vertrag aussteigen. Für uns regeln diese Verträge also nicht nur das Finanzielle, sondern beschreiben vor allem eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Wir wollen eine Win-win-Situation herstellen, einen Rahmen, der allen Beteiligten viel Freiheit und ein gewisses Maß an Planungssicherheit gibt. Daraus entstehen Kraft, Kreativität und ein wunderbares Miteinander ...
Der nächste Schritt ist nun, unser Angebot auch digital weiterzuentwickeln, denn es gibt inzwischen großartige digitale Möglichkeiten. Wir müssen nicht mehr um die halbe Welt fliegen, um unsere Kunden zu betreuen, weil wir unser Angebot jetzt mit Hilfe selbstgemachter Videos und videoconferencing tools skalieren können und damit viel näher und umfassender an unsere Kunden herankommen.
Wir entwickeln Modelle, die digitaler, flexibler und persönlicher sind, die ökonomisch und ökologisch vertretbar sind, die von unseren Kunden flexibel abrufbar und somit näher an der Realität moderner Manager sind.
Häppchenweise Hilfe zu relevanten Themen via Videoblog: Christian Mayhofer gibt Kurzcoachings/-teachings zum Thema Leadership, eingebettet in Weisheitstraditionen. Diese können jederzeit angehört, angesehen oder auch nur gelesen werden (Untertitelung oder nur Text). Davon ausgehend werden wir Webinare entwickeln, in denen sich die Leute live einklinken können; wer will, kann Christian persönlich für einen Videocall buchen. Die nächstmögliche Stufe sind persönliche Treffen und regelmäßige Retreats. Unser Ansicht nach geht es nicht darum, alles auf Online umzustellen, sondern einen sinnvollen Mix zu finden, der die Vorteile der bestehenden Kommunikationsformen optimal kombiniert.
Auch ein Membershipmodell ist denkbar – von der Gratisversion bis zum Platin-Package, das selbst maßgeschneiderte Angebote enthält. Damit lassen sich sehr viele Menschen erreichen, und trotzdem ist intensive Begleitung auf Wunsch möglich. Kunden können sich ihr Package je nach Bedarf und Budget zusammenstellen. Die zentrale Herausforderung für uns „digital dummies“ ist die technische Umsetzung in guter, praktikabler Qualität. Dafür holen wir uns professionelle Unterstützung und lassen uns auch von den cleveren Kids helfen. Davon profitieren übrigens auch unsere bestehenden Kunden, die sich mit dem abstrakten Begriff „digitale Transformation“ größtenteils schwertun, denn so lernen sie zusammen mit uns, wie sich digitale Tools produktiv nutzen lassen und dass digital und persönlich kein Widerspruch ist.
Last but not least: wir werden weiterhin Coachingeinheiten, Workshops, Retreats und einzelne Impulstage anbieten, die einen fixen Preis haben und ganz klar abgegrenzt sind. Manchmal ist das genau das Richtige.
Julia Culen,
gemeinsam mit Christian Mayhofer
Julia Culen berät Managementteams und Eigentümer bei Fragen der Führung, Ausrichtung und Gestaltung zukunftsfähiger Unternehmen. Gemeinsam mit ihrem Partner Christian Mayhofer hat sie einen Beratungsansatz entwickelt, der Erkenntnisse aus Weisheitstraditionen, Bewusstseinsforschung und Wissenschaft miteinbezieht.
Kontakt: www.cmpartner.at
Zurück zur Übersicht
Blogbeiträge durchblättern:
Teilen: