Zurück zur Übersicht
War und ist das ein wilder Ritt! Corona hat die Branche und ihre Kunden durchgeschüttelt. Und doch: die meisten Probleme, Abbrüche von Kundenbeziehungen, Turbulenzen sind Verstärkungen von Themen, die Agenturen seit einiger Jahren beschreiben:
Dabei sind Kunden schon vor Corona und jetzt erst recht auf der Suche nach Orientierung:
Klar ist: Viele dieser Probleme macht der Kunde sich selbst, sowohl durch seine Haltung als auch durch die Art und Weise der Agenturauswahl. Mitverantwortlich dafür ist auch die Marktsituation: Zig Anbieter konkurrieren um den Auftrag und sehen keine andere Alternative, als sich mit noch mehr Demut, noch mehr Fleiß und noch mehr gutem Willen durchzusetzen. Verstärkt durch Corona: Jetzt zählt jeder Euro doppelt.
Wer als Agentur aus diesem Teufelskreis ausbrechen will, tut gut daran, seine Rolle in der Geschäftsbeziehung neu zu definieren: Die Agentur als Partner auf Augenhöhe und Trusted Advisor des Entscheiders. Womöglich ist jetzt die richtige Zeit dafür?
Es gibt drei Rollen, die eine Agentur einnehmen kann: Dienstleister, Experte oder Trusted Advisor. Gemeint ist dabei nicht die persönliche Beziehung der Berater zu einzelnen Kunden, sondern was die Agentur für ihren Kunden tatsächlich IST. Ein erheblicher Unterschied, wie wir sehen werden:
Wer sich als braver Dienstleister präsentiert oder von vorneherein in diese Schublade gesteckt wird, der wird als Lückenfüller gebucht. Der Kunde hat eine Strategie sowie eine Idee für die Umsetzung und sucht nun jemanden, der das für ihn „abarbeitet“. Er hat bereits einen klaren Maßnahmenkatalog im Kopf und fixe Kriterien, nach denen er die Agentur auswählen will. Also startet der Kunde einen entsprechenden Auswahlprozess, indem er potenzielle Agenturen auf Herz und Nieren prüft. Die Rolle der Agentur? Präsent sein, zeigen, was sie kann, und den Kunden überzeugen. Gesetzt den Fall, andere Agenturen sind auch gut darin, sich und ihre Ansätze zu präsentieren: Was macht der Kunde, zumal er sowieso nur 60 Prozent der Qualität sehen kann? Er wählt den günstigsten Anbieter oder verhandelt.
Im Projekt selbst besteht dann kaum noch die Möglichkeit, die fehlende Beziehung zum Entscheider zu kompensieren – außer durch Fleißarbeit: Hier mal eine Präsentation außer der Reihe, ein paar Stunden oder Tage Texterleistung extra, eine flotte Idee mehr. Und trotzdem: Läuft etwas schief, versteht der Kunde eine Abrechnung nicht, passieren Fehler oder bestimmte Maßnahmen fruchten nicht, ist der Schuldige schnell gefunden …
Die Auswahl von Agenturen, die als Experten fungieren sollen, verläuft ähnlich, wenn auch etwas erfreulicher: Der Kunde kennt sein Problem (oder glaubt es zu kennen), legt aber noch keine konkreten Maßnahmen fest. Er sucht also eine Agentur, die sein Dilemma versteht und für die Lösung solcher Probleme prädestiniert ist. Sein Kompass bei der Auswahl: Profil und Referenzen der potenziellen Agenturen. Auch dieser Kunde startet einen Wettbewerb, sichtet mehrere Agenturen. Und die Agenturen wollen beweisen: „Ich habe dich genau verstanden. Das ist die Aufgabe – und genau unser Ding! Hier ganz viele Beispiele und erste Ideen …“
Allerdings gilt auch in diesem Fall: Die anderen Agenturen sind ebenfalls fit und haben genauso wenig Beziehung zum Entscheider. Der Kunde wählt also erneut unter vielen Gleichrangigen, mal nach Preis, mal nach Bauchgefühl. Die Experten-Agentur darf ihre Arbeit machen, ihre Rolle im Prozess wird aber auch pragmatisch gesehen: „Die sind halt da, um das Problem zu lösen!“ So kommt es dann, das nach getaner Arbeit oft alle total zufrieden sind. Monate später erfährt die Agentur, man habe für ein neues Produkt, eine andere Kampagne, eine neue Strategie jemanden anderen beauftragt. Ganz ohne bösen Willen, an den alten Experten dachte nur irgendwie keiner.
Die Trusted Advisor-Agentur bietet also weder eine Einzelaktion noch die Lösung eines Teilproblems an, sondern eine Beziehung, die den Kunden langfristig weiterbringt. Diese Beziehung basiert auch auf der Grundlage von Expertise, ist auch rein beruflich – doch das Leistungsversprechen ist ein anderes. Das dennoch mit einer Teilleistung begonnen werden kann, dass man dennoch an einem Pitch teilnehmen kann – das ist davon unbenommen.
Kunden, die ihre Agentur nach diesem Qualitätsmerkmal auswählen, legen eine andere Haltung an den Tag: Sie sind offener, wenden sich frühzeitig mit strategischen Fragen an ihre Agentur, erzählen, was sie bewegt. Sie sind bereit, höhere Honorare zu zahlen, hinterfragen nicht jede Abrechnung, akzeptieren, dass es nicht auf alles sofort eine Antwort geben kann. Sie betrachten die kreative Leistung als gemeinschaftliches Ergebnis und nicht als Dienstleistung, die man einkauft. Sie verstehen ihre Agentur als Problemlöser und Partner an ihrer Seite. Und in Krisen wie Corona: Fragt sie ihre Agentur statt ihre Budgets einzufrieren.
Klingt zu schön, um möglich zu sein? In der Praxis erlebe ich das Gegenteil: Viele Entscheider wünschen sich einen echten Schulterschluss mit Agenturen. Und je weniger der Kunde selbst weiß, je weniger sich inhouse lösen lässt und je konfuser die Antworten auf seine konkreten Fragen, desto größer werden dieser Wunsch und das Bedürfnis, neue Wege zu gehen.
Bislang haben weder Kunden noch Agenturen Routine mit dem neuen Angebot „Beziehung und Schulterschluss“. Alle müssen sich umgewöhnen. Was bedeutet das?
Das Denken des Trusted Advisors dreht sich um die Frage, was für den Kunden am besten ist – und nicht für den eigenen Gewinn. Das klingt banal, ist aber für die meisten Agenturen eine gravierende Umstellung. Denn üblicherweise denken sie bei der Auftragsanbahnung in zwei parallelen Schienen: Was könnte der Kunde wohl gebrauchen? Wie überzeuge ich ihn davon, der richtige Anbieter zu sein? Was könnte ihn noch begeistern, damit er uns bucht? Die Ego-Schiene abzustellen ist ein bewusster Prozess, der Zeit braucht. Altruistisch sind wir dabei indes nicht, aber realistisch: Nur ein Kunde, der spürbar und langfristig vorankommt, wird seine Agentur auf Augenhöhe akzeptieren!
Eine der Schwierigkeiten bei der Arbeit an echten Zielen ist die Entkopplung der Marketing- und Kommunikationsabteilungen von den echten Zielen der Business-Units. Je nach Struktur der Kundenorganisation reicht die Ziel-Kenntnis von totaler Ahnungslosigkeit, über vage Gefühle bis hin zur echten Beteiligung. Entsprechend wichtig ist es, alle wichtigen Entscheider auch aus dem Business an Bord zu haben – und zwar beim Prozess der Angebotserstellung und sogar vor/bei Pitches. Klingt banaler als es in der Praxis ist, wie wir alle wissen. Ein spezielles und ausgeprägtes Handwerkszeug der Kundenberater mit einem großen Repertoire kann dies dennoch Wirklichkeit werden lassen – viel öfter als die meisten Agenturen für möglich gehalten hätten.
Eine klare Haltung, ein Nein an der richtigen Stelle, unangenehme, aber zielführende Fragen, hohe Honorare … Das kann sich jeder trauen, sobald der Auftrag unterschrieben ist. Doch als Trusted Advisor geht es darum, dem Kunden von Anfang an, also schon vor der Beauftragung zu zeigen, wie wichtig er uns ist, indem wir direkte Fragen stellen, ungewöhnliche Lösungswege avisieren und auch mal sagen, dass wir etwas noch nicht wissen. Wer so etwas macht, der riskiert sogar den Auftrag, beweist damit aber, dass es ihm nicht ums schnelle Geld in der eigenen Tasche geht. Ein echter Trusted Advisor eben.
Wer den Anspruch hat, die Kundenziele wirklich zu verstehen, und sich Gedanken über den richtigen Weg macht, muss vorab intensive Gespräche führen. Das braucht Zeit. Zeit, die den Kunden bereits weiterbringt, aber nicht oder nur geringfügig vergütet wird. Andererseits baust du in dieser Zeit schon eine Beziehung zu dem Kunden auf und musst weniger Zeit in die Vorbereitung aufwendiger, oft genug erfolgloser Pitches investieren.
Die Art der Gesprächsführung von Dienstleistern, Experten und Trusted Advisors unterscheidet sich grundlegend. Der brave Dienstleister stellt Verständnisfragen: „Ist es richtig, dass Sie x, y, z brauchen?“ Danach versucht er, den Entscheider davon zu überzeugen, dass sein Unternehmen genau der richtige Anbieter ist. Der Experte versucht, den Sachkontext des Auftrags nachzuvollziehen: „Was genau heißt: Sie bekommen bei der Zielgruppe keinen Fuß in die Tür? Was haben Sie schon versucht?“ Das macht der Trusted Advisor zwar auch, geht aber einen Schritt weiter und erfragt den persönlichen Kontext des Auftrags: „Was wird sich verändern, wenn das Problem gelöst ist? Welche Ziele will Ihr Unternehmen damit erreichen? Welche Ziele erreicht das einzelne Projekt? Was wird für Sie persönlich anders sein?“
Was hier stark gerafft dargestellt ist, verlangt in der Praxis eine differenzierte Gesprächstechnik, die mit den Jahren gelernt und weiterentwickelt wird. Dazu gehört auch, die echten Entscheider an den Tisch zu bekommen.
Wer als Trusted Advisor auftritt, muss seine Angebote entsprechend anpassen. So werden nicht so sehr Einzelmaßnahmen aufgeführt (Vergleichbarkeitsfalle!), sondern vor allem die konkreten Ziele des Entscheiders formuliert. Das genannte Honorar setzt der Kunde somit in Bezug zu seinen Zielen: Er kauft die Beziehung zu dem Trusted Advisor und seinem Team sowie deren Einsatz für seine Ziele. Ein enormer Ertragshebel, sobald das Modell etabliert ist.
Klar ist: Dieses Modell ist nicht für jedermann. Mit Kunden, die auf ihre Standardprozesse Wert legen, keine Zeit in persönliche Gespräche investieren möchten, die sich nicht öffnen oder schlichtweg einen braven Dienstleister oder Experten suchen, wird man in Zukunft also kein Geschäft mehr machen. Dieses Geld davonziehen zu lassen ist vermutlich der härteste Lernprozess auf dem Weg zum erfolgreichen Trusted Advisor.
Marke und Marketing eines Trusted Advisors drehen sich nicht zuletzt um die Beziehung zum Kunden. Statt eigener Leistungen und toller Referenzen (die sind bei der Konkurrenz nicht schlechter!) greift die Markenwelt des Trusted Advisors Problemkorridore der Kunden und deren Ziele auf. Der Agentur gelingt es durch relevante neue Inhalte, ihren potenziellen Kunden den Alltag zu erleichtern, lange bevor es zum Auftrag kommt. Auf diese Weise wächst bei dem Entscheider der Eindruck, dass diese Agentur für ihn persönlich wichtig werden könnte, weil sie anders ist und sich mit den Themen beschäftigt, die ihn umtreiben.
Trotz allem wird es in jedem Projekt immer auch Bedarf an Experten geben, um die praktische Durchführung zu garantieren. Die Mitarbeiter der Agentur können also weiterhin tun, was sie gut können. Trusted Advisor hingegen ist die Philosophie des Unternehmers, der Marke und jener Protagonisten, die in den Prozessen von Auftragsanbahnung und Beziehungsmanagement zum Kunden aktiv sind. Ein lohnenswerter Kulturwandel.
Was wie eine Utopie klingt, ist nicht nur ein praktikabler, sondern auch sinnstiftender Weg, wenn wir bereit sind, ihn konsequent zu gehen. Schrittweise über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren. Doch wofür das Ganze? In erster Linie, weil wir als den Sinn unserer Arbeit darin sehen, jemandem beim Erreichen seiner Ziele zur Seite zu stehen. Weil Kreative noch lieber ihre Arbeit machen und für uns arbeiten wollen, wenn sie ihre Wichtigkeit sehen. Weil wir auf Beziehung Wert legen. Weil wir keine Lust auf Sperenzchen haben. Und weil wir mit herausragender Arbeit einen herausragenden Ertrag erwirtschaften möchten.
Zurück zur Übersicht
Blogbeiträge durchblättern:
Teilen: