Eigene Identität, stark im Wettbewerb – Was Agenturen von Beratern wirklich lernen können

Das Fazit vorab:
Jede Agentur kann einen entscheidenden Vorteil im Wettbewerb erzielen, wenn sie von den Erfolgen einer kleinen Beraterelite lernt, von den Trusted Advisors. Allerdings anders, als bisher gedacht.

Ja, ja, Agenturen müssen sich neu erfinden, die satten Jahre sind vorbei, kreative Leistung ist kein Selbstzweck, und in der Beratung, da müssen eh alle stärker werden. Haben wir oft genug gehört. Stimmt auch irgendwie. Doch fast jede inhabergeführte Agentur ist organisch gewachsen, hat bestimmte Typen als Chefs und bestimmte Typen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Sie hat einige Arbeitsfelder, die sie exzellent beherrscht, einige, die sie nicht beherrscht, und ganz viel dazwischen, was so ganz okay ist. Ein schlichtes Kopieren von Beratungsunternehmen oder beratungslastigen Agenturen ist also gar nicht möglich. Manchmal auch gar nicht gewünscht, und zwar immer dann, wenn Kreativleistungen zum Kern der eigenen Identität gehören und die Angst umgeht, diese entscheidende Stärke könne durch allzu viel Strategie verloren gehen.

Das Lernen von Beratungsunternehmen muss also differenziert erfolgen. Dazu drei Thesen:

1. Lernen von Beratern heißt nicht, zur Beratungsagentur zu mutieren! Es bedeutet auch nicht, wichtige Bausteine der eigenen Identität aufzugeben. Eine Kreativagentur mit mehr Beratungskompetenzen muss eine Kreativagentur bleiben. Genau deshalb ist es oft auch der Anfang vom Ende, wenn große Beratungshäuser Agenturen kaufen und sich einverleiben.

2. Ein sehr kleiner Prozentsatz inhabergeführter Beratungshäuser macht es anders als die Konkurrenz. Und nur von diesen Beratungshäusern können Agenturen viel lernen. Diese Berater definieren sich nämlich nicht über ihre tollen Leistungen, ihren Erfahrungsschatz und ihre namhaften Referenzen — die haben andere schließlich auch. Vielmehr hören sie besser zu am Markt, haben ein Gespür dafür entwickelt, wohin ihre Kunden wollen, und eine gezielte Technik, das zu erfragen. Sie verkaufen nicht, sondern bieten ihren Kunden wertvolle Unterstützung auf dem Weg zu deren Zielen. Ausnahmeberater sind auf Augenhöhe, oft unbequem, aber immer wirksam. Sie sind oft kompromisslos, gerne auch teurer, aber ihre gesamte Denk- und Arbeitswelt dreht sich um Ergebnisse. Die Rede ist von Trusted Advisors, der Crème de la Crème der Beratungshäuser. Von denen — ja, nur von denen! — gilt es zu lernen.

3. Trusted Advisors bearbeiten auch den Markt anders. Sie sprechen regelmäßig mit einer ansehnlichen Zahl von Entscheidern, und zwar eins zu eins (nicht beim hundertsten Networking-Event), ohne das Ziel einer direkten Beauftragung im Sinn und nur mit dem Wunsch, nützlich zu sein, wenn sie gebraucht werden. Sie konzentrieren ihre Marketingenergie nicht auf den dutzendsten Case und das Hervorheben von Dingen, die andere auch haben, sondern suchen nach den Zukunftsproblemen und -zielen ihrer Kunden — und werden zu Meinungsführern. Auf diese Weise werden sie für die potenziellen Kunden relevant, sowohl als Beratungshaus wie auch als Menschen — und stehen auf der mentalen Shortlist.

Als Berater-Berater habe ich die letzten 23 Jahre damit verbracht, genau diese Beratungsunternehmen stark zu machen, ihnen den nächsten Entwicklungssprung zu ermöglichen und sie von der breiten Masse der Berater abzuheben. Die dabei gesammelten Erfahrungen stelle ich seit einigen Jahren auch Agenturen zur Verfügung: Handwerk und Haltung echter Trusted Advisors. Und in der Agenturlandschaft kann dieses Handwerkszeug sogar noch schneller Wirkung entfalten: noch weniger Konkurrenz, die es anwendet, noch größer die Verblüffung bei Kunden, noch befriedigender die Ergebnisse.

Was macht jenes Top-Prozent der Berater anders? Mindestens dreierlei:

1. Kundenziele erfassen und zum Mittelpunkt der Arbeit machen!

Jeder Kunde hat einen Anlass für seine Anfrage. »Wir wollen das und das umgesetzt haben«, »Dieses Produkt müssen wir verjüngen«, »Wir brauchen für diese Sparte einen anderen Mix« ... So könnten die Anlässe für Agenturanfragen lauten. Die meisten Beratungshäuser und Agenturen versuchen nun, die Aufgabe schnellstmöglich zu verstehen und dann die entsprechende Leistung zu verkaufen. Klar umrissene Aufgabe, klar umrissene Tätigkeit. Das Problem daran: Anlässe zu beheben ist nicht das, was Kunden dauerhaft brauchen.

Was ist, wenn hinter dem Wunsch, das Produkt zu verjüngen, eigentlich ein grundlegendes Zielgruppenproblem steckt? Wenn es also ganz neue Ansätze bräuchte? Dann heißt’s: Pech gehabt! Denn der Kunde erwartet ›Fullfilment‹, was ja nicht mehr als das Abarbeiten des Versprochenen mit kurzen Ausflügen in die Kreativität ist. Das ist für den Kunden unbefriedigend, weil seine eigentlichen Ziele nicht bearbeitet werden – und für die Agentur und ihre Mitarbeiter, weil sie letztlich Handlanger einer zu eng gesteckten Aufgabe sind. Abgesehen davon muss sich die Agentur nach wie vor im Preiskampf behaupten, denn solche Aufgaben können andere ebenso sympathische Mitbewerber auch ganz gut erledigen.

Darum gilt es, die Ziele hinter dem Anlass zu erforschen. Das ist ein Projektziel, aber auch ein Abteilungsziel, ein Unternehmensziel; und ein persönliches Ziel des Entscheiders findet sich meist auch noch.

Um diese Ziele zu entdecken, verfügen gute Berater über ein Repertoire an geeignetem Werkzeug. Der entscheidende Unterschied zur etablierten Verkaufstechnik ist der Fokus auf den Kundennutzen. Es geht nicht darum zu verkaufen, sondern darum zu verstehen. Das Werkzeug zur Zielklärung kann jeder anwenden — auf seine ganz persönliche Weise.

Entsprechend ist auch der gesamte Prozess anders: Angebote sehen anders aus, Abstimmungen im Projekt laufen anders, Abrechnungsmodelle verändern sich, und der Austausch innerhalb der Projektteams ist ebenfalls ein anderer. Denn hier wird kein Plan in time und budget abgearbeitet; hier wird ein bewegliches Gut bearbeitet: Kundenziele in sich ständig verändernden Märkten. Klar, dass da auch die Arbeit der Agentur anders wird.

2. Den Zirkus um Alleinstellungsmerkmale sein lassen!

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Agenturen ihr eigenes Handwerkszeug nutzen möchten. Doch was kommt bei der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen heraus? Immer das Gleiche: besondere Kreativität, die Sprache des Kunden sprechend, Erfahrung, Wirksamkeit, ›Stallgeruch‹ bestimmter Branchen ... Und so sieht es dann in der Umsetzung aus: Unzählige Case-Orgien in endlosen Slidern rufen hilflos, doch endlich als besonders erkannt zu werden, in der Hoffnung, der Kunde möge das Ganze irgendwas zwischen ›endgeil‹ und ›durchaus überzeugend‹ finden. Ist das differenzierend? Nein, denn der ›heiße Scheiß‹ verteilt sich gleichmäßig auf die antretenden Konkurrenten.

Einige Berater haben genau das begriffen und sich einer anderen Kategorie zugewandt: der Relevanz. Was bedeutet: Die Gedankenwelt des Anbieters ist nützlich für die Zielgruppe. Aus Entscheidersicht heißt das: »Die haben Dinge im Kopf, die mich in meinen Zielen weiterbringen!«

Erzeugen wir Relevanz durch Cases und das Vormurmeln von Alleinstellungsmerkmalen? Nein. Wir erzeugen sie, indem wir uns ...

... in klar umrissenen Feldern
... eine eigene Meinung machen,
... eigene Ideen entwickeln, wie Kunden damit umgehen könnten, und
... konstant unser Wissen teilen, ohne auf Aufträge zu lauern.

Wer sich als Agentur also z. B. damit beschäftigt, wie sich Unternehmen in stark regulierten Märkten bewegen, wie hier neue Geschäftspotenziale entstehen, welche Regeln der Meinungsbildung gelten, welche Kanäle gerade nützlich sein könnten und sein Wissen darüber auch teilt — der ist in diesem Umfeld relevant.

Das setzt natürlich einiges voraus: strategische Entscheidungen über Felder der Relevanz, jahrelanger Aufbau von Wissen, Investment in eigene Ideen (Zeit und Geld), Wissenstransfer, Retrospektive und die Risikobereitschaft, nicht mit jedem Thema einen Volltreffer zu landen. Relevant zu sein ist eben viel mehr als opportunes Content-Marketing mit etwas PR, wenn gerade Zeit bleibt. Relevant zu sein bedeutet, nicht mehr in seinem Fachsilo zu sitzen, sondern disziplinübergreifend zu denken, von anderen Disziplinen zu lernen, Kooperationen zu schmieden — ohne sofort »360 Grad!« zu schreien und für alles ein Angebot parat haben zu müssen.

3. Beziehungen ernst nehmen!

Erfolgreiche Trusted Advisors halten Kontakt zu wichtigen Entscheidern ihrer Zielgruppe, ganz gleich, ob es 50, 100 oder 200 Personen sind. Kontakt halten heißt in diesem Fall: die Beziehung pflegen, immer wieder relevant sein, Dinge gemeinsam tun (z. B. die Kontakte in die eigenen PR-Instrumente integrieren), Gespräche führen – ohne dass dabei ein Auftrag herauskommen muss. Und das durchaus ein paarmal pro Jahr. Das entstehende Vertrauen ist das Fundament für ein Gespräch auf Augenhöhe über die wahren Probleme und echten Ziele des Kunden – und eine Chance, zu völlig anderen Honorarsätzen zu gelangen.

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