Das Beratungsunternehmen als Trusted Advisor – Mehr Beziehungstiefe, Wachstumsgrenzen sprengen

Warum die Inhaber von Beratungsunternehmen dauernd Lücken füllen

Es ist, als gäbe es da eine unsichtbare Mauer! Immer wieder stoßen Beratungsunternehmen an Wachstumsgrenzen, überwinden sie kurzzeitig und werden wieder zurückgeworfen. Denn an irgendwas mangelt es meistens: an ausreichend Projektvolumen, neuen Mitarbeitern oder Impulsen aus der eigenen Organisation, um bestimmte Themen auf die Straße zu bringen. Der Beratungsunternehmer als Engpass-Weiterer, Lückenfüller, Feuerwehrmann.

Eine Lösung für diesen Kreislauf liegt nicht auf der Straße – sonst hätte sie wohl auch schon jemand aufgehoben. Hinzu kommen teils gravierende Veränderungen:

  • Das Klima wird rauer.
  • Kunden wünschen sich große Vorleistungen, z. B. diverse Termine, bevor sie sich festlegen.
  • Der Kunde zögert Entscheidungen hinaus.
  • Einkaufsabteilungen übernehmen immer mehr Kontrolle, verstehen jedoch nichts von Beratung und den eigentlichen Aufgaben.
  • Kunden wissen zwar immer seltener, was sie tun können, um weiterzukommen, reden aber vermehrt in Beratungsprozesse hinein.
  • Große Aufträge werden zunehmend in Häppchen verteilt – und das Beratungsunternehmen baggert regelmäßig um das nächste Häppchen.
  • Die Honorare im Wettbewerb stagnieren oder sinken sogar.
  • Kunden sind enorm preissensibel, nicht nur vor der Auftragsvergabe, sondern auch während der Zusammenarbeit und danach (»Wofür brauchen Sie denn da so lange?«).

Auch die Kunden klagen, oft sogar über ähnliche Themen, allerdings natürlich aus ihrer Perspektive. So fallen abends an der Bar Sätze wie:

  • »Wir wissen überhaupt nicht mehr, was wir tun oder lassen sollen. Wenn uns doch nur jemand bei der Einordnung helfen würde.«
  • »Am Ende geht es um meine und unsere geschäftlichen Ziele. Wenn die bloß endlich jemand verstehen würde.«
  • »Die Konkurrenz ist irgendwie immer eine Nasenlänge voraus; ich verstehe überhaupt nicht wieso.«
  • »Immer wieder kaufe ich die Katze im Sack ein. Mehr Transparenz und Messbarkeit wären wirklich gut.«

Klar ist: Viele dieser Probleme macht der Kunde sich selbst, sowohl durch seine Haltung als auch durch die Art und Weise der Beraterauswahl. Mitverantwortlich dafür ist die Marktsituation: Zig Anbieter konkurrieren um den Auftrag und sehen keine andere Alternative, als sich mit noch mehr Demut, noch mehr Fleiß und noch mehr gutem Willen durchzusetzen.

Eine einfache Antwort auf diese Themen gibt es nicht. Aber einen vielversprechenden Ansatz, den ich in den letzten Jahren mit etlichen Beratungsunternehmen in die Praxis umsetzen durfte:

Wechseln Sie Ihre Rolle als Beratungsunternehmen!

Echte Hilfe in der Problemwolke

Es gibt drei mögliche Rollen, die ein Beratungshaus beim Entscheider einnehmen kann: Dienstleister, Experte oder Trusted Advisor.

Aus Entscheider-Perspektive lässt sich die Rolle eines Beraters anhand folgender Kriterien beschreiben:

  • Grad der fachlichen Expertise im Hinblick auf die jeweilige Aufgabenstellung. »Entsprechen die Kernkompetenzen des Beraters unserem Bedarf?«
  • Beziehungstiefe zu jenen Mitarbeitern des Beratungshauses, die den Vertrieb machen und Kundenkontakt zum wirklichen Entscheider pflegen, in der Regel also Inhaber, Geschäftsleitung und Partnerebene. Bei ausgeprägter Beziehungstiefe urteilt der Entscheider: »Diese Person ist mir persönlich wichtig!«
  • Relevanz des Beratungshauses für den Entscheider. Hat es für den Entscheider eine hohe Relevanz, ist diesem klar: »Genau das Beratungsunternehmen brauche ich, um meine geschäftlichen ebenso wie meine Karriereziele zu erreichen.«

Abbildung 1 zeigt die drei Rollen bezogen auf den Erfüllungsgrad der genannten Kriterien.

Abbildung 1: Dienstleister, Experte, Trusted Advisor: Worin sich die Rollen unterscheiden

Der Dienstleister macht einfach!

Wer sich als braver Dienstleister präsentiert, wird als Lückenfüller gebucht. Der Kunde hat eine Strategie sowie eine Idee für die Umsetzung und sucht nun jemanden, der das für ihn ›abarbeitet‹. Er hat bereits einen klaren Maßnahmenkatalog im Kopf und fixe Kriterien, nach denen er den Berater auswählen will. Also startet der Kunde einen entsprechenden Auswahlprozess, indem er potenzielle Anbieter auf Herz und Nieren prüft. Die Rolle des Beratungshauses: präsent sein, zeigen, was es kann, und den Kunden überzeugen. Gesetzt den Fall, andere Berater sind auch gut darin, sich und ihre Ansätze zu präsentieren: Was macht der Kunde, zumal er sowieso nur 60 Prozent der Qualität sehen kann? Er wählt den günstigsten Anbieter oder verhandelt.

Im Projekt selbst besteht dann kaum noch die Möglichkeit, die fehlende Beziehung zum Entscheider zu kompensieren – außer durch Fleißarbeit: Hier mal eine Präsentation außer der Reihe, ein paar Stunden oder Tage Leistungen extra, strategische Hilfe an unerwarteter Stelle, die aber nicht gesondert vergütet wird. Und trotzdem: Läuft etwas schief, versteht der Kunde eine Abrechnung nicht, passieren Fehler oder bestimmte Maßnahmen fruchten nicht, ist der Schuldige schnell gefunden ...

Der Experten-Berater löst das Problem!

Die Auswahl von Beratern, die als Experten fungieren sollen, verläuft ähnlich, wenn auch etwas erfreulicher: Der Kunde kennt sein eigenes Problem (oder glaubt es zu kennen), legt aber noch keine konkreten Maßnahmen fest. Er sucht also einen Partner, der sein Dilemma versteht und für die Lösung solcher Probleme prädestiniert ist. Sein Kompass bei der Auswahl: Profil und Referenzen der potenziellen Berater. Auch dieser Kunde startet einen Wettbewerb, sichtet mehrere Berater. Und diese wollen beweisen: »Ich habe dich genau verstanden. Das ist die Aufgabe – und genau unser Ding! Hier unser Vorgehen, unsere Referenzen, unsere Leute ...!«

Allerdings gilt auch in diesem Fall: Die anderen Berater sind ebenfalls fit. Der Kunde wählt also erneut unter vielen Gleichrangigen aus, mal nach Preis, mal nach Bauchgefühl. Der Experten-Berater darf seine Arbeit machen, seine Rolle im Prozess wird aber rein pragmatisch gesehen: »Die sind halt da, um das Problem zu lösen!«

Das Beratungsunternehmen als Trusted Advisor: »Mit euch an der Seite erreiche ich meine Ziele!«

Viele Entscheider sind genauso unsicher wie ihre Konkurrenten. Sie wissen nicht mehr genau, was sie zuerst anpacken und wie sie kommenden Herausforderungen begegnen sollen. Ihre Ziele werden immer kurzfristiger, ihre Verhaltensweisen am Markt und intern immer kurzfristiger. An dieser Stelle setzt der Trusted Advisor an und bietet einen Schulterschluss: »Ich weiß jetzt auch noch nicht, was genau du tun musst. Ich kann dir aber dabei helfen,

  • ... deine Ziele zu klären.
  • ... zu verstehen, warum das oder jenes für dich, dein Unternehmen, deine Abteilung wichtig ist.
  • ... wichtige Probleme von unwichtigen zu unterscheiden und dir damit unnötige Baustellen vom Hals zu halten.
  • ... den Weg erfolgreich Schritt für Schritt zu gehen.
  • ... die Leistungen unserer Beratung genau auf deinen Weg zuzuschneiden.«

Der Trusted Advisor bietet also weder eine Einzelaktion noch die Lösung eines Teilproblems an, sondern eine Beziehung, die den Kunden langfristig weiterbringt. Diese Beziehung basiert auch auf der Grundlage von Expertise, ist also auch rein beruflich – doch das Leistungsversprechen ist ein anderes.

Ein neuer Weg, der sich lohnt!

Kunden, die ihren Berater nach diesem Qualitätsmerkmal auswählen, legen eine andere Haltung an den Tag: Sie sind offener, wenden sich frühzeitig mit strategischen Fragen an den Partner, erzählen, was sie bewegt. Sie sind bereit, höhere Honorare zu zahlen, hinterfragen nicht jede Abrechnung, akzeptieren, dass es nicht auf alles sofort eine Antwort geben kann. Sie betrachten die Beratungsleistung als gemeinschaftliches Ergebnis und nicht als Dienstleistung, die man einkauft. Sie verstehen ihr Beratungshaus als Problemlöser und Partner an ihrer Seite.

Ein neuer Weg, der erst einmal utopisch klingt?

Klingt zu schön, um möglich zu sein? In der Praxis erlebe ich das Gegenteil: Viele Entscheider wünschen sich einen echten Schulterschluss mit Beratern. Und je weniger der Kunde selbst weiß, je weniger sich inhouse lösen lässt und je konfuser die Antworten auf seine konkreten Fragen, desto größer werden dieser Wunsch und das Bedürfnis, neue Wege zu gehen.

Trusted Advisor werden Sie nicht mal eben

Bislang haben weder Kunden noch Berater Routine mit dem neuen Angebot »Beziehung und Schulterschluss«. Alle müssen sich umgewöhnen. Was bedeutet das?

1. Trusted Advisor denken zuerst an den Kunden
Das Denken des Trusted Advisors dreht sich um die Frage, was für den Kunden am besten ist – und nicht für den eigenen Gewinn. Das klingt banal, ist aber für die meisten Beratungsunternehmen eine einschneidende Umstellung. Denn üblicherweise denken Anbieter bei der Auftragsanbahnung in zwei parallelen Schienen: Was könnte der Kunde wohl gebrauchen? Wie überzeuge ich ihn davon, der richtige Anbieter zu sein? Was könnte ihn noch begeistern, damit er uns bucht? Die Ego-Schiene abzustellen ist ein bewusster Prozess, der Zeit braucht und der sich auch bei Mitarbeitern erst nach und nach durchsetzt. Altruistisch sind wir dabei indes nicht, aber realistisch: Nur ein Kunde, der spürbar und langfristig vorankommt, wird seinen Berater auf Augenhöhe akzeptieren!

2. Trusted Advisor machen ihre Haltung von Anfang an klar
Eine klare Haltung, ein Nein an der richtigen Stelle, unangenehme, aber zielführende Fragen, hohe Honorare ... Das kann sich jeder trauen, sobald der Auftrag unterschrieben ist. Doch als Trusted Advisor geht es darum, dem Kunden von Anfang an, also schon vor der Beauftragung zu zeigen, wie wichtig er uns ist, indem wir direkte Fragen stellen, ungewöhnliche Lösungswege avisieren und auch mal sagen, dass wir etwas noch nicht wissen. Wer so etwas macht, der riskiert sogar den Auftrag, beweist damit aber, dass es ihm nicht ums schnelle Geld in der eigenen Tasche geht. Ein echter Trusted Advisor eben.

Wer den Anspruch hat, die Kundenziele wirklich zu verstehen, und sich Gedanken über den richtigen Weg macht, muss vorab intensive Gespräche führen. Das braucht Zeit. Zeit, die den Kunden bereits weiterbringt, aber nicht oder nur geringfügig vergütet wird. Andererseits bauen wir in dieser Zeit schon eine Beziehung zum Kunden auf und müssen weniger Zeit in die Vorbereitung aufwendiger, oft genug erfolgloser Pitches investieren.

3. Trusted Avisor fragen nach dem ›Warum‹
Die Art der Gesprächsführung von Dienstleistern, Experten und Trusted Advisors unterscheidet sich grundlegend. Der brave Dienstleister stellt Verständnisfragen: »Ist es richtig, dass Sie x, y, z brauchen?« Danach versucht er, den Entscheider davon zu überzeugen, dass sein Unternehmen genau der richtige Anbieter ist. Der Experte versucht, den Sachkontext des Auftrags nachzuvollziehen: »Was genau heißt: Ihre Produktion kann den Anforderungen des Kunden nicht mehr genügen?« Das macht der Trusted Advisor zwar auch, geht aber einen Schritt weiter und erfragt den persönlichen Kontext des Auftrags: »Was wird sich verändern, wenn das Problem gelöst ist? Welche Ziele will Ihr Unternehmen damit erreichen? Welche Ziele erreicht das einzelne Projekt? Was wird für Sie persönlich anders sein?«

Was hier stark gerafft dargestellt ist, verlangt in der Praxis eine differenzierte Gesprächstechnik, die mit den Jahren erlernt und weiterentwickelt wird. Dazu gehört: die echten Entscheider an den Tisch bekommen, multidimensionale Ziele erfragen, das eigene Gesprächsrepertoire anpassen ans Gegenüber, von subtil bis sehr direkt.

4. Trusted Advisor bieten anders an
Wer als Trusted Advisor auftritt, muss seine Angebote entsprechend anpassen. So werden nicht Einzelmaßnahmen aufgeführt (Vergleichbarkeitsfalle!), sondern vor allem die konkreten Ziele des Entscheiders formuliert. Das genannte Honorar setzt der Kunde somit in Bezug zu seinen Zielen: Er kauft die Beziehung zu dem Trusted Advisor und seinem Team
sowie deren Einsatz für seine Ziele. Ein enormer Ertragshebel!

5. Trusted Advisor können Geld davonziehen lassen
Klar ist: Dieses Modell ist nicht für jedermann. Mit Kunden, die auf ihre Standardprozesse Wert legen, keine Zeit in persönliche Gespräche investieren möchten, die sich nicht öffnen oder schlichtweg einen braven Dienstleister oder Experten suchen, wird man in Zukunft also kein Geschäft mehr machen. Dieses Geld davonziehen zu lassen ist vermutlich der härteste Lernprozess auf dem Weg zum erfolgreichen Trusted Advisor.

6. Trusted Advisor vermarkten Beziehungen
Marke und Marketing eines Trusted Advisors drehen sich um die Beziehung zum Kunden. Statt eigener Leistungen und toller Referenzen (Die sind bei der Konkurrenz nicht schlechter!) greift die Markenwelt des Trusted Advisors Problemkorridore der Kunden und deren Ziele auf. Dem Beratungshaus gelingt es durch relevante neue Inhalte, seinen potenziellen Kunden den Alltag zu erleichtern, lange bevor es zum Auftrag kommt. Es hält Beziehung, spricht regelmäßig mit dem eigenen Netzwerk, schafft Gemeinsamkeiten und zeigt echtes Interesse am Gegenüber. Auf diese Weise wächst bei dem Entscheider der Eindruck, dieser Berater werde für ihn persönlich wichtig, weil er anders ist und sich mit den Themen beschäftigt, die ihn umtreiben.

7. Gute Nachricht: Auch Experten sind nötig
Trotz allem wird es in jedem Projekt immer auch Bedarf an Experten geben, um die praktische Durchführung zu garantieren. Ihre Mitarbeiter können also weiterhin tun, was sie gut können. Trusted Advisor hingegen ist die Philosophie des Unternehmers, der Marke und jener Protagonisten, die in den Prozessen von Auftragsanbahnung bis Beziehungsmanagement zum Kunden aktiv sind. Ein lohnenswerter Kulturwandel.

Fazit
Was wie eine Utopie klingt, ist nicht nur ein praktikabler, sondern auch sinnstiftender Weg, wenn wir Unternehmer bereit sind, ihn konsequent zu gehen. Schrittweise über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Doch wofür das Ganze? In erster Linie, weil wir als Unternehmer den Sinn unserer Arbeit darin sehen, jemandem beim Erreichen seiner Ziele zur Seite zu stehen. Weil wir auf Beziehung Wert legen. Weil wir keine Lust auf Sperenzchen haben. Und weil wir mit herausragender Arbeit einen herausragenden Ertrag erwirtschaften möchten.

Blog durchsuchen:

Blogbeiträge durchblättern:


Wie die Rolle von Beratern neu gedacht werden kann – und damit krisensicherer wird

Shortcut 1: Selbst-Bewusstsein als Grundlage für Sog

Marketing ist noch lange keine Marke – Wie Sie deutlich mehr Unterscheidungskraft entwickeln

Datenschutz

Wir verwenden Cookies und den Tracking-Dienst Matomo, um die Inhalte auf dieser Webseite zu optimieren. Über diese Einstellungen können Sie festlegen, ob Sie von Matomo anonymisiert erfasst werden wollen. Ohne Ihre explizite Zustimmung werden Sie nicht von Matomo erfasst. Außerdem können Sie hier festlegen, ob Sie mit der Einbettung von Videos von YouTube und Vimeo einverstanden sind. Weitere Informationen.